
Vorsitzender Roland Liebl zeigt auf das Schild mit der Schere.
Der Kirrlacher Taufstein ist offensichtlich etwas älter als bisher
angenommen.
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Nach monatelangen Recherchen und zahlreichen Rückmeldungen hat der
Heimatverein Kirrlach eine ganz interessante Spur zur Geschichte des
Kirrlacher Taufsteins gefunden. Insbesondere die Schere gab lange
Rätsel auf. Während die einen Heimatforscher einen Bezug zur
"Durchtrennung der Nabelschnur" herstellten (Philipp Heiler,
Kirrlacher Heimatforscher, Seite 5 im Buch zum Flandrischen
Schnitzaltar) sahen andere einen Bezug zum Aberglauben, der im
Mittelalter noch sehr verbreitet war. Der Aberglaube fußt u.a. auf der
Tatsache, dass sich eine Schere auch in Kreuzform verwenden lässt und
demnach manigfaltige "Fähigkeiten" entwickeln kann, auch für
Neugeborene.
Je nach Quelle wurde die Herstellung des Taufsteins bisher auf die
Jahre 1507 bis 1510 datiert, also nach Fertigstellung der von
Fürstbischof Philipp von Rosenberg finanzierten Kirche, die in der
Zeit von 1504 bis 1508 in Kirrlach erbaut wurde. Laut Roland Liebl
können die bisherigen Angaben nun konkretisiert werden. Der Taufstein
dürfte nach den neuesten Erkenntnissen knapp zwanzig Jahre älter sein,
als bisher angenommen, stammt also eher aus der Zeit von 1480 bis
1495. Der Taufstein war demnach ursprünglich nicht für die damals neue
Kirrlacher Kirche bestimmt. Als wichtigstes Indiz gilt die Schere.
Sie weist auf den ursprünglichen Auftraggeber des Taufsteins hin:
Rudolf II. von Scherenberg, Fürstbischof von Würzburg (verstorben
1495).Wäre der Bischof von Speyer der Auftraggeber gewesen, dann
wäre sicher sein eigenes Bischofswappen angebracht worden, so wie wir
es noch heute an zwei Stellen an der Kirrlacher Kirche finden.
Zur Frage, wie der Taufstein seinen Weg nach Kirrlach fand, bleibt es
spannend. Eine Spur ist der Steinmetz, denn der Taufstein und die
damalige Kirrlacher Kirche haben den gleichen Steinmetz. Eine andere
Spur führt in die Nähe von Würzburg zur Burg Boxberg der Familie von
Rosenberg. Bauherr der damaligen neuen Kirrlacher Kirche war
bekanntlich Philpp von Rosenberg, Bischof von Speyer
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Das Straßburger Zeichen basierte auf der Quadratur, das Kölner
Zeichen auf der Triangulatur, die Wiener Haupthütte nahm den Vierpaß
und die Züricher Hütte den Dreipaß als Grundlage. So konnten
eindeutige Masterschablonen entstehen, die für den Fachmann eindeutige
Rückschlüsse zur Ausbildungsstätte geben. (Foto: Liebl)
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Zur Spur des Steinmetzzeichens hilft ein Auszug aus "Die
Bauhütten des Mittelalters", W. Malota 1989:
>> Beginn Zitat >> Eines der wichtigsten, weil auf die individuelle
Person bezogenes Erkennungsmerkmal war das Steinmetzzeichen.
Ursprünglich diente dieses Zeichen als Abrechnungshilfe bei der
Lohnzahlung bzw. als Versetzhilfe am Bau, später gewann es an
Symbolgehalt. Ab dem 12. Jahrhundert wurde dem Gesellen bei seiner
Lossprechung sein persönliches Zeichen, das er ein Leben lang in Ehren
zu halten hatte, durch den Meister verliehen. Es wurde zusammen mit
seinem Namen in das Hüttenbuch eingetragen. Jeder Geselle mußte
sein Zeichen lesen, d.h. symbolisch deuten, und stellen, d.h.
geometrisch konstruieren können. Dieses Wissen wurde vor Aufnahme
eines wandernden Gesellen in eine Hütte geprüft und diente als Schutz
vor Mißbrauch. Es durfte nicht verschenkt, verkauft oder verändert
werden. Die Baseler Hüttenordnung forderte: "Es soll auch keiner
sein Ehrenzeichen, das ihme von einem Handwerk verliehen und vergönnet
worden ist, für sich selbs und eigens Gewalt ändern; so es ihm zu
ändern vermeinet, solle er es mit Gunst, Wissen und Willen eines
ganzen Handwerks tun."(14) Anfangs konstruierte der Meister die zu
verteilenden Zeichen auf der geometrischen Grundlage seines ihm
eigenen Zeichens. Um die Zeichen besser vor Schändung und Entwürdigung
schützen zu können, wurden sie später jedoch dadurch vereinheitlicht,
dass jede Haupthütte einen eigenen Grundschlüssel erhielt, nach dem
dann die Zeichen konstruiert wurden. << Ende Zitat <<
Bisher ist es dem Heimatverein noch nicht gelungen, den Namen oder die
Ausbildungsstelle des für die 1504-er Kirrlacher Kirche
verantwortlichen Steinmetzes zu ermitteln. Die exisitierenden
Datenbanken sind bisher kommerziell aufgebaut, d.h. eine Recherche
kostet rund 450 Euro. In Paderborn läuft aber ein freies Projekt an,
so dass in Kürze mit weiteren Hinweisen zu rechnen ist, so Liebl.
Wegen der strengen Vorgaben der Steinmetzzünfte im 15. und 16.
Jahrhundert, stehen die Chancen heute wirklich sehr gut, weitere
Informationen zum "Kirrlacher" Steinmetz zu erhalten. Wo hat er
gelernt, wo finden sich noch heute steinerne Zeugen aus dieser
mittelalterlichen Meisterhand? Vielleicht findet man sogar noch seinen
Namen im Hüttenbuch. Wir brauchen nur noch etwas Geduld, bis die
Auswertung der Daten flächendeckend vorangetrieben wurde. Und dank
Digitalisierung und Internet darf man hier wirklich optimistisch sein,
so Liebl. Letztendlich dürften die zu erwartenden Erkenntnisse auch
bei der Suche der Route des Taufsteins aus dem Fürstbistum Würzburg
zum Füstbistum Speyer helfen.
Unabhängig davon ist die Auswertung der Fehde zwischen der
mächtigen Großfamilie der "von Rosenbergs" (Bem: Dazu gehört der
Bauherr der Kirrlacher Kirche) und dem Würzbuger Fürstbischof "Rudolf
II von Scherenberg" eine weitere erfolgsversprechende Spur. Die
Großfamilie der "von Rosenbergs", war im Gebiet des Würzburger
Fürstbistums mit mehrere Linien beheimatet. Und sie war bestens
vernetzt, was letztendlich auch der Anlass der Fehde zum Ende des 15.
Jahrhundert war: 1486 zog Georg von Rosenberg gegen den Würzburger
Bischof Rudolf II. von Scherenberg in Fehde.
(Fortsetzung folgt in ca. zwei bis drei Wochen als eigener Beitrag)
Roland Liebl
10. Februar 2019
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