Dem Gemeindehaus in Kirrlach droht der Abriss

1. Antrag auf Bebauungsplanänderung

2. Hilferuf an den Bürgermeister der Stadt Waghäusel

3. Ein großes Zentrum im Blick

4. Im Bonhoeffer-Haus finden wieder Gottesdienste statt

5. Das Bonhoeffer-Haus wird einer Wohnbebauung weichen

 

1. Antrag auf Bebauungsplanänderung

(Quelle: Archiv Stadtrat Roland Liebl)

Mit Schreiben vom 22. November 2004 hat das Evangelische Pfarramt Waghäusel bei der Stadt Waghäusel den Antrag auf Bebauungsplanänderung für das Grundstück Taunusstraße 2, Flurstücknummer 4026/18, Gemarkung Kirrlach gestellt.

 

Der Antrag wurde am Montag, den 20. Dezember 2004 in einer öffentlichen Sitzung des Gemeinderates beraten, und ohne Beschlussfassung zurückgestellt. Einheitliche Meinung des politischen Gemeinderates: Die Evangelische Pfarrgemeinde Waghäusel hat offensichtlich noch internen Abstimmbedarf. Die Stadt Waghäusel möchte sich nicht in die kircheninternen Angelegenheiten einmischen, und bittet die Kirchengemeinde um interne Klärung.

2. Hilferuf an den Bürgermeister der Stadt Waghäusel

(Quelle: Archiv Stadtrat Roland Liebl)

19.12.2004

An die

Stadt Waghäusel                                                                      

z. Hd. Herrn Bürgermeister Walter Heiler

Gymnasiumstraße 1

68753 Waghäusel

 

Abriss des Dietrich Bonhoeffer Hauses in Kirrlach

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

 

am Montag, den 20.12.2004 wird in der Gemeinderatssitzung darüber beraten, ob das Gelände der evangelischen Kirche in Kirrlach, Obere Bachstraße/Taunusstraße als öffentliches Bauland erklärt und geteilt werden soll.

Sollte das Grundstück, wie vorgeschlagen getrennt werden, muss das 1973 gebaute Dietrich Bonhoeffer Haus (DBH) abgerissen werden. Damit wird die Arbeit der dort ansässigen Kreise vernichtet. Wir, die betroffenen Kreise, sehen in dem " Abwürgen" unserer Arbeit nicht nur einen Verlust an Gemeindearbeit innerhalb der evangelischen Kirchengemeinde, sondern auch ein Verlust innerhalb der politischen Gemeinde. Da Sie nicht wissen können, welche Kreise im DBH tätig sind, wollen wir uns kurz vorstellen:

•        Jeden Sonntag treffen sich in der Zeit von 14:00-16:00 Uhr meist ältere Russlanddeutsche (ca. 25 Personen) um in Form einer "geistlichen Stunde" mit Singen, Lesen und Beten zusammen zu sein. Zur Erhaltung des DBH trägt diese Gruppe jedes Jahr mit einer nicht unerheblichen Spende bei.

•        Montags von 16:00-18:00 Uhr basteln und beten ca. . 15 Kinder der 1. bis 5. Klasse (aller Konfessionen) unter Anleitung von zwei Erwachsenen für Weihnachten und Ostern. Hervorzuheben ist hierbei, dass gerade Kinder aus sozial schwachem Umfeld (Russlanddeutsche, Alleinerziehende) zu uns kommen.

•        Jeden Montag Abend treffen sich ab 19:30 Uhr junge Frauen zur Gymnastik.

•        Einmal im Monat trifft sich dienstags ab 20:00 Uhr der "ökumenische Frauenbibelkreis" . Unter Leitung von Frau Kraft, der Frau des altkatholischen Bischofs in Ruhe, wird eine ausgezeichnete Bibelarbeit gemacht.

•        Jeden Mittwoch treffen sich die "Anonymen Alkoholiker". Diese Gruppe gehört zwar nicht zur evangelischen Kirche, hat aber schon sehr lange im DBH eine Heimat gefunden.

•        Donnerstags morgens trifft sich die Mutter-Kind-Gruppe mit Kindern im Vorkindergartenalter zum Singen, Spielen, Beten und zum Erfahrungsaustausch.

•        Am Donnerstag Abend trifft sich der ökumenische Handarbeitskreis.

•        Der Männerkreis trifft sich 14-tägig im DBH.

Im November wurde im DBH der Basar vom Bastelkreis zugunsten der Gruppe "Behinderter und Nichtbehinderter" in Kirrlach durchgeführt. Bei Ihren Besuchen haben Sie, wie auch Ihr Amtsvorgänger Herr Straub und Ihr Parteifreund MdB Herr Tauss, immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig und gut ehrenamtliche Arbeit ist, besonders dann, wenn sozial schwache Menschen unterstützt werden und Hilfe zugesagt, wenn Probleme da sind.

Wie Sie sehen, sind im DBH viele verschiedene Aktivitäten, die zur Integration von Kindern und Erwachsenen beitragen. Gerade im Zeitalter von "Hartz IV" und den Kürzungen von öffentlichen Geldern im Sozialbereich sollte die Gemeinde Waghäusel froh sein, dass hier viele Ehrenamtliche für die ihre Kirchengemeinde und politischen Gemeinde tätig sind. Hierzu kommt noch, dass eine Sammlung für die Renovierung des DBH bisher über 2.500 € erbracht hat. Einige Bürger haben weitere Spenden zugesagt, wenn das Haus stehen bleibt. Auch haben wir Hilfe angeboten bekommen, die angefangene Renovierung des Hauses weiter zu machen.

Wir bitten Sie, das verbleibende Grundstück so zu teilen, dass das DBH stehen bleiben kann und unsere ehrenamtliche Arbeit zum Wohle auch der politischen Gemeinde fortgesetzt werden kann. Das ist die Meinung der im DBH befindlichen Kreise.

Bekannt ist uns, dass die Mehrheit des evangelischen Pfarrgemeinderats Waghäusel für einen Abriss des Dietrich Bonhoeffer Hauses zugunsten eines neuen zentralen  Gemeindezentrums in Wiesental hinter der Erlöserkirche ist. Diese Maßnahme würde dann wieder die Schwächsten in unserer Gesellschaft treffen: die Kinder und die Alten, da es denen oft nicht möglich ist andere Stadtteile zu erreichen.

Mit freundlichen Grüßen

für die Kreise und Kirchenmitglieder

Kurt Böhm, Flattacher Str. 5, 68753 Waghäusel

 

Weitere Unterzeichner:

Irene Hauck; Rudi Hauck; Markus Knebel; Elisabeth Matt; Ernst Matt; Carmen Mörder; Christel Vogt; Hans Vogt; Hans Gunter Weber; Andreas Wegele

 

3. Ein großes Zentrum im Blick 

Kirrlacher Bonhoeffer-Haus wird im neuen Jahr geschlossen/Wiesental als neue Mitte?

(Quelle: Wochenblatt Region Bruhrain vom 29. Dezember 2004)

Er sieht sich in einer verteufelten Situation, der evangelische Pfarrer Ralf Otterbach. "Was haben wir denn schon in der Kirchengemeinde?", fragt er, um dann gleich aufzuzählen: "Das evangelische Gemeindehaus in Wiesental ist in desolatem Zustand, das Bonhoeffer-Haus in Kirrlach ist in desolatem Zustand, das Gemeindehaus in Waghäusel ist abrissreif, die Kirche in Waghäusel ist in einem schwierigen Zustand und nur die vor drei bis sechs Jahren renovierten Pfarrhaus und Erlöser-kirche in Wiesental sind in gutem Zustand."

Wenn man all diese Gebäude der evangelischen Kirchengemeinde, die neben den drei Waghäuseler Ortsteilen noch Oberhausen-Rheinhausen und Hambrücken umfasst, wieder in einen mittelfristig nutzbaren Zustand bringen möchte, dann wäre rund eine halbe Million Euro fällig, rechnet der Pfarrer vor. Deshalb sei, nach Vorgabe des Oberkirchenamtes, beschlossen worden, die Gebäudenutzung zu optimieren. Dass die Kirche in Waghäusel inzwischen zum Verkauf steht, hat bundesweit für Schlagzeilen gesorgt, jetzt wird am Sonntag, 2. Januar, auch das Kirrlacher Bonhoeffer-Haus geschlossen.

 

Fast schon natürlich laufen da die Protestanten aus Kirrlach Sturm, denn schließlich gehört dieses Gebäude zu den jüngsten der drei zum Verkauf freigegebenen Gemeindehäuser. Es habe den besten baulichen Zustand, liege bezogen auf die evangelischen Bewohner sehr zentral, habe bisher schon den höchsten Beitrag gebracht - immerhin 170.000 Euro aus dem Verkauf des Gartengrundstücks - und habe mit die intensivste Nutzung, loben die Kritiker der Entscheidung ihr Bonhoeffer-Haus. "Natürlich freut sich niemand, dieses Haus zu schließen, aber wir müssen uns einfach an die Sachzwänge halten", versucht Otterbach für Verständnis zu werben. "Wir haben seit Jahren alle anderen Möglichkeiten durchgespielt", betont er. Man müsse Grundstücke der Gemeinde verkaufen, um Geld zu bekommen, damit ein ganz neues Zentrum entstehen könne. "Wenn wir jetzt nicht handeln, haben wir bald gar keine nutzbaren Räume mehr", sagt der Pfarrer. Die Arbeitskreise und Gruppen aus Kirrlach sollen sich künftig in Wiesental treffen. Das dortige, marode Gemeindehaus könne man überhaupt nicht zu Geld machen, weil der Flächennutzungsplan dort die Sondernutzung "Kirche" festschreibe. Deshalb solle dort auch ein neues Gemeindezentrum geplant und schließlich gebaut werden. Alle anderen Ideen seien, so sehr man sie auch wolle, utopisch, sagt der Pfarrer. Er hoffe, dass seine Gemeinde erkenne, dass es "um die kirchliche Arbeit, um Gott und den Menschen, um die Aufgabe geht, und nicht ums sture Ortsteildenken". Man müsse auch künftig keine weite Fahrt antreten, wie man es etwa für den Einkauf in Mannheim oder Karlsruhe mache, vor allem, weil auch künftig in Kirrlach, nämlich im Lusshardtheim, Gottesdienste angeboten würden.

Dem wird von Gegnern der Entscheidung massiv widersprochen. Sie sehen sich von einem mehrheitlich mit Wiesentalern besetzten Pfarrgemeinderat schlichtweg über den Tisch gezogen. Einem Gemeinderat übrigens, den sie vor wenigen Jahren mit gewählt haben, wie auch die insgesamt fast paritätische Verteilung der evangelischen Christen in den beiden großen Waghäuseler Ortsteilen vermuten lässt.

4. Im Bonhoeffer-Haus finden wieder Gottesdienste statt

Oberkirchenrat nimmt der örtlichen Gemeindespitze die Zügel aus der Hand

(Quelle: Wochenblatt Region Bruhrain vom 31. August 2005)

 Nun ist es amtlich. Die Schließung der Räume für den evangelischen Gottesdienst in den Gemeinden in Kirrlach und Waghäusel wurde zumindest auf einen absehbaren Zeitraum und teilweise zurück genommen. Am kommenden Sonntag um 10 Uhr sollen sich die Rollläden im Dietrich-Bonhoeffer-Haus wieder für die Gläubigen öffnen. Und auch bei der Friedenskirche tut sich einiges, dass nicht auf den vor wenigen Wochen noch verkündeten Abbruch hinweist. Dort wurde von Mitgliedern der Gemeinde in harter Knochenarbeit das Areal rund um das Gotteshaus von wuchernden Büschen und Gestrüpp befreit.

Der ursprünglich von der Waghäuseler Kirchenleitung angedachte Verkauf des Bonhoeffer-Hauses komme also, so räumte Pfarrer Otterbach kürzlich ein, "zurzeit nicht mehr in Frage". Der politische Gemeinderat der Stadt hatte dem kirchlichen Ansinnen seinen Segen nicht im erhofften Umfang erteilt. Nur ein Teil des Areals, nämlich der, auf dem das Haus nicht steht, wurde von einer "Sonderfläche Kirche" in ein "Allgemeines Wohngebiet" umgewandelt. Damit könne das Bonhoeffer-Haus zu keinem anderen, als zu kirchlichen Zwecken genutzt werden.

Für das Grundstück auf dem derzeit die Waghäuseler Friedenskirche steht und das, so wollte es die Spitze der Kirchengemeinde, bald zum Neubaugebiet für Wohnhäuser werden sollte, herrsche weiterhin eine Veränderungssperre, wurde erklärt. Damit dürfte aus baurechtlicher Sicht nichts an den dortigen Gebäuden verändert werden. Zugleich hat das Landesdenkmalamt den warnenden Zeigefinger erhoben und das Gotteshaus als "denkmalschutzwürdig" eingestuft.

"Dies hat aber nur eine rechtliche Bedeutung, wenn das Landratsamt dieser Einstufung zustimmt und sie damit bestätigt", wurde auf der Gemeindeversammlung betont. "In der Behörde in Karlsruhe wurde man aber erst tätig, weil der Kirchengemeinderat einen Antrag auf Abriss der Friedenskirche gestellt hat, der nun hilft, die Situation zu klären", beeilt man sich zu erklären.

Doch der Kirchengemeinde vor Ort sind offensichtlich inzwischen die Zügel aus der Hand genommen worden. Der Oberkirchenrat soll ab sofort Ansprechpartner bei aufkommenden Fragen rund um die Gebäude sein. Das klingt seitens der Waghäuseler Kirchenvertreter allerdings anders. Es wird betont, die vorgesetzte Behörde habe, "um den Kirchengemeinderat zu entlasten" einen Projektentwickler mit der Situation der Protestanten in Waghäusel beauftragt. Er solle das Projekt "Verkauf und Neubau" zusammenfassen, abklären und in einer Machbarkeitsstudie darstellen. Damit scheint eines fest zu stehen: Bis die Studie Mitte nächsten Jahres erstellt worden ist, dürfte sich an der bestehenden Situation nichts ändern. Die Kirche könne weder verkauft noch abgerissen werden. Gleichwohl wird sie in diesem Zeitraum aber nicht für Gottesdienste genutzt werden können, weil die Kirchengemeinde eine Konventionalstrafe fürchtet, denn es wurde bereits ein Optionsvertrag mit einem Bauunternehmer geschlossen. Dennoch steht weiterhin die Frage im Raum, ob der Gebäudebestand in der evangelischen Kirchengemeinde nicht doch zu hoch ist und die kirchliche Arbeit nicht besser in einem großen Zentrum in Wiesental zusammen gefasst werden sollte. Es dürfte also spannend werden, wie sich die Zukunft der beiden Häuser in den Ortsteilen entwickelt.

"Gefährlicher Eindruck"

Stellungnahme des Pfarres

(Quelle: Wochenblatt Region Bruhrain vom 7. September 2005)

In der vergangenen Ausgabe des "Wochenblatt" wurde unter der Überschrift "Im Bonhoeffer-Haus finden wieder Gottesdienste statt" über die Situation in der evangelischen Gemeinde in Waghäusel berichtet. Darin wurde erklärt, dass sich künftig ein Projektentwickler des Oberkirchenrates um die Zukunft der evangelischen Immobilien in Wiesental, Waghäusel und Kirrlach kümmern wolle. Pfarrer Ralf Otterbach mochte vorrangig der Aussage des Berichtes, ihm seien durch das Einschalten eines Projektentwicklers durch den Evangelischen Oberkirchenrat die Zügel aus der Hand genommen worden, so nicht zustimmen. Aus diesem Grund willigte das "Wochenblatt" seiner Bitte ein, eine Stellungnahme zu veröffentlichen.

Pfarrer Otterbach erklärt zum Thema: "Ich möchte feststellen, dass der Aufmacher journalistisch ganz in Ordnung war. Nach den Informationen, die man Ihnen gegeben hat, haben sie beide Seiten zu Wort kommen lassen. Problematisch ist insbesondere die Unterzeile der Überschrift: ,Der Oberkirchenrat nimmt der Gemeindeleitung die Zügel aus der Hand'. Das erweckt nicht nur einen falschen Eindruck, das ist auch sachlich völlig falsch. Und es ist natürlich für die Gemeindearbeit gefährlich, wenn der Eindruck entsteht, auf den Kirchengemeinderat brauche man nicht mehr zu achten, er sei entmachtet, den könne man übergehen."

5. Das Bonhoeffer-Haus wird einer Wohnbebauung weichen

Im Jahr 2007 wurde das Aus für das Diedrich-Bonhoeffer-Haus vom Kirchengemeinderat beschlossen. Das Gebäude wird nicht mehr benutzt, und soll vermarktet werden.